Es gibt nicht „ein“ kollektives Gedächtnis, sondern „viele“. Meine Generation ist in einer friedlichen Zeit groß geworden, für uns gibt es keine Bauten, die direkt an Gewalt und die Geschichte gebunden sind, und so ist das kollektive Gedächtnis meiner Generation unberührt.
Eva Mair, Stammtisch I, 25.10.2010
Es gibt unterschiedliche Erinnerungen und jede steht für sich. Erinnerungen sind nicht für alle gleich und werden gut gehütet. Wenn man von einem Kollektivgedächtnis spricht, muss man weiter gehen und die persönlichen Erinnerungen in einer übergeordneten kollektiven Geschichtsschreibung zusammenführen, die Erinnerungen zusammenfasst anstatt sie zu löschen. Um dies zu erreichen, müssen konkrete Schritte getan werden, es reicht nicht, im Abstrakten darüber zu reflektieren. Hier liegt der Ansatzpunkt für Theorie und Geschichtswissenschaft. Die Politik muss diese Bewegung zulassen und darf sie nicht instrumentalisieren.
Giorgio Mezzalira, Stammtisch I, 25.10.2010
Das kollektive Gedächtnis nährt sich aus dem Fundus des gesellschaftlich Unbewussten, das einen Teil des individuellen Unbewussten bildet und das der Einzelne mit seiner sozialen und ethnischen Gruppe gemeinsam hat.
Siegfried Baur, Stammtisch I, 25.10.2010
Da das kollektive Gedächtnis sich nicht durch sich selbst im Gedächtnis der Einzelnen hält, benötigt es für sein Überleben räumlicher Anhaltspunkte und wiederkehrender zeitlicher Gelegenheiten der "Zelebration", der "Beschwörung", der Auffrischung seiner Wirksamkeit. Es sind dies die Gedächtnisorte, wie die Museen, Archive, Friedhöfe, Sammlungen, Feste, Jahrestage, Verträge, Protokolle, Denkmäler, Wallfahrtsstätten, Vereine. Aber es sind dies auch die Geschichtsbücher, die Schulbücher, die Urkunden, die Bauwerke, die "bedeutungsschwangeren" Landschaften, die Fahnen, Hymnen, Lieder und auch ganz einfache Erinnerungsstücke wie z. B. vergilbte Fotografien der Familienalben, wie Pierre Bourdieu sagen würde.
Siegfried Baur, Stammtisch I, 25.10.2010