Symbolische Aktionen für unsere Gegenwart

Ein Rechercheprojekt zur Aktualisierung der zwei Begriffe "Monument" und "Zusammenleben"

2010 / 2011

Das Projekt „Symbolische Aktionen für unsere Gegenwart“ versteht sich als eine Serie von Vorträgen, Diskussionen, Texten und Handlungen, die eine alternative Betrachtung der zeitgenössischen und gesellschaftlichen Relevanz eines Monuments als Denk- und Aktionsraum einfordern und eine Bewusstseinsschaffung für eine Symbolik unserer Gegenwart aktivieren. Es geht dabei nicht nur darum, die vielfältigen Lesearten, Geschichte und Erinnerung als wesentliche Konstanten für unser Heute zu sehen, sondern vor allem um die Möglichkeit, unserem Denken und Handeln, verankert in unserer Jetztzeit, nachhaltigen Ausdruck zu verleihen. Aktionsort und Ausgangspunkt ist die Stadt Bozen und die Region Südtirol, sowie deren wesentliches Merkmal als Entwicklungsmöglichkeit für die Zukunft: das Zusammenleben und die Interaktion von unterschiedlichen Individuen. Das Projekt versucht die beiden Begriffe „Monument“ und „Zusammenleben“ zusammen zu führen, aktualisiert und erweitert sie und lässt daraus eine Recherche und gemeinsame Aktion zwischen den geladenen Künstlern und Gestaltern mit den Kuratoren des Projektes entstehen.

„Symbolische Aktionen für unsere Gegenwart“ ist eine Initiative des Projektraumes Lungomare. Sie gliedert sich in zwei ineinander übergreifende Abschnitte: eine Recherche und eine Aktion mit Handlung im öffentlichen Raum der Stadt Bozen. Ende Oktober 2010 beginnt mit einer Forschungswoche diese offene und angewandte Recherche, die sich während der gesamten Projektdauer weiter entwickelt und auf der Webseite www.symbolicactionsforourpresent.lungomare.org dokumentiert wird. Ein Glossar fasst dabei wichtige Grundkonzepte zusammen, schafft Verbindungen und stellt Meinungen gegenüber. Das Künstlerkollektiv Brave New Alps, die Künstler Jacopo Candotti und Helmut Heiss, die Architektinnen Eva Mair und Katherina Putzer und die Designerin Maja Malina entwickeln gemeinsam mit den Kuratoren des Projektes, weiterführend und als Teilergebnis der Recherche, während des Jahres 2011 eine Aktion für den öffentlichen Raum der Stadt Bozen.


Der Ausgangspunkt und die Weiterentwicklung

Ein Monument ist in der Regel ein Objekt, das erinnert, verewigt, inaktiv ist und öffentliche Sphäre einfordert. Es besetzt Raum, bestimmt und definiert ihn aus einer singulären Perspektive. Ein Monument stärkt die Repräsentation politischer Macht und legitimiert (oft einseitige) Ereignisse der Vergangenheit. Es ist Ausdruck einer ikonographischen Zeichenkraft, stellt eine absolute Auffassung geschichtlicher Ereignisse dar, ohne diese zu hinterfragen und einer öffentlichen und kritischen Diskussion auszusetzen.

Was wäre, wenn ein Monument eine plurale und widersprüchliche Funktion hätte, und ein Ort gegen jegliche Ideologisierung darstellt? Ein Monument, das "Aktion und Gegen-Aktion"1 fordert, das sehr wohl Gegebenheiten der Geschichte wahrnimmt, diese aber kritisch analysiert, und die Relevanz von Geschichte und ihre Auswirkungen mit unserer Jetztzeit vergleicht. Ein Ort, der bewusst eine öffentliche Debatte und Auseinandersetzung initiiert, aneckt um weiterzudenken, keine einseitige und statische Geschichtsschreibung wiedergibt, sondern zu einem aktiven und partizipativen Denkraum wird.

Ein Monument, das flexibel ist, sich ständig neu definiert und seiner Umgebung anpasst? Ein Monument, das nicht behauptet, sondern zweifelt; nicht vereinfacht, sondern Komplexität und Vielfalt fordert? Was wäre, wenn ein Monument keine Grenzmarke setzt, kein Territorium absteckt und keine Ethnie und nationale Integrität repräsentiert, sondern gegen eine ethnische Trennung und Homogenität und für eine Kollektivität und „Kontamination“2 stehen würde? Ein Monument, das Identität als mutierender, sich ständig wandelbarer, pluraler und als ein offener und freier Seinszustand des Menschen wahrnimmt?

Wir möchten die Entstehung eines zeitgenössischen Monuments experimentieren. Der Ort dafür soll Bozen sein, die Hauptstadt Südtirols und nördlichste autonome Provinz der Republik Italien. Thema des Monuments soll das Zusammenleben diverser Individuen sein. Die Stadt wird bereits als Modell in punkto ethnischer Konfliktlösung und als Beispielstadt für das friedliche Zusammenleben mehrerer Sprachgruppen angepriesen. Wo befinden wir uns tatsächlich und wohin möchten wir in Zukunft gehen? Wann ist der richtige Zeitpunkt, um ein solches Monument zu erdenken? Heute, im Jahr 2010/11? Denken wir zurück und betrachten das Thema als gelöst? Oder befinden wir uns mitten in der Suche nach Gemeinsamem und nach Begegnung? Könnte ein Monument auch Denkraum sein, um unsere Geschichte vielfältig und differenziert zu betrachten und dabei alle miteinschließen? Welche Charakteristiken hat gegebenenfalls ein Monument, wird es zu einem Gegen-Monument?

1 Mihnea Mircan, "As Big as, Polemic Strategies for the Contemporary Monument"
2 Siegfried Baur, "Identität in Südtirol anhand von Alexander Langers "10 Thesen für ein friedliches Zusammenleben"

 

Eine offene und angewandte Recherche, eine Aktion und Handlung im öffentlichen Raum

Den Anfang dieser Recherche bildet die Forschungswoche, die vom 25. bis 30. Oktober 2010 veranstaltet wird. Es treffen sich 36 Personen (Historiker, Journalisten, Philosophen, Kuratoren, Architekten, Künstler, Designer, Schriftsteller, Politikwissenschaftler und Soziologen) für eine Woche in den Räumlichkeiten von Lungomare, um den thematischen Ausgangspunkt des Projektes breitgefächert zu betrachten und zu analysieren. Dieser Meinungsaustausch, die Ideen und Stellungnahmen, die während dieser Woche erarbeitet werden, sind Startpunkt, um eine gemeinsame Aktion und Handlung im Laufe des Jahres 2011 mit sieben geladenen Gestaltern und Künstlern im öffentlichen Raum der Stadt zu realisieren. Es bleibt dabei offen, ob diese Aktion und Handlung tatsächlich ein Monument entstehen lässt, oder sich absichtlich vom Konzept des Monuments abgrenzt und es nicht als solches definiert.

Während der gesamten Konzept- und Realisierungsphase entwickelt sich die Recherche – nach ihrem ersten Input im Rahmen der Forschungswoche – weiter und nimmt anhand eines Glossars auf der Webseite des Projektes konkrete Form an. Das Glossar sammelt alle wichtigen Begriffe, auf die im Rahmen der Auseinandersetzung gestoßen wird, und schafft zwischen diesen Verbindungen und Widersprüche, und stellt Meinungen gegenüber.

Um das Projekt mitzuverfolgen: www.symbolicactionsforourpresent.lungomare.org

 

Das parallele Projekt "Wahlgemeinschaft"

Im Herbst 2010 haben die Kuratoren die Künstlerinnen Laura Lovatel und Federica Menin eingeladen, parallel zu dem Projekt ein Kommunikations-Instrument zu kreieren, welches ermöglicht, in direktem Kontakt mit den Stadtbewohnern in Bozen das Thema des Zusammenlebens zu erforschen. Laura Lovatel und Federica Menin haben einen Blog zum Thema “Wohngemeinschaften” initiiert.

Der Blog “Wahlgemeinschaft” erforscht mit eigenständigem Blick das zentrale Thema der urbanen Identität: das Wohnen. Die Wohngemeinschaft, als besondere (Zusammen-)Lebensform, wird zum Forschungsobjekt: ein dinghafter und sozialer Raum, in dem in kleinen wie in großen Städten, jenseits verwandtschaftlicher Bindungen, Privates mit Anderen geteilt wird. Sogenannte “Wahlgemeinschaften” existieren bereits als lokale Netzwerke, in denen sich Menschen gegenseitig bei der Lösung bestimmter Aufgaben helfen, die einen gemeinsamen Interessensbereich betreffen. Mehr denn je bilden Studenten, Arbeitnehmer, manchmal auch mehrere Paare oder Familien Wohn-Einheiten verschiedenartigster Zusammensetzung. Sie spiegeln damit die Gesellschaft unserer Zeit und typische Abläufe des städtischen Lebens wieder. “Wahlgemeinschaft” möchte in Bozen die verschiedenen Formen, Motive, Arten von Gemeinschaftsgefühl und räumlichen Anordnungen des Zusammenlebens ermitteln. Besuche verschiedener Bozner Wohngemeinschaften führen zu Momenten, in denen deren Bewohner diesen Zustand reflektieren.

Besuchen Sie den Blog:
http://vicinatoelettivo.org/lungomare

 

 

 

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KURATIERT VON

Angelika Burtscher, Daniele Lupo

 

MIT

BRAVE NEW ALPS

Designerkollektiv bestehend aus Bianca Elzenbaumer und Fabio Franz; arbeiten seit 2005 gemeinsam unter dem Namen Brave New Alps. www.brave-new-alps.com

 

JACOPO CANDOTTI

lebt in Bozen. Er liest keine Comics und hat achtzig Kilos zugelegt. Er war nie verheiratet und mag keine e-mail-Adressen und Kinder. Er hat noch nie in seinem Leben eine Party organisiert und hat fünfundvierzig Kilo abgenommen.

 

HELMUT HEISS

geb. 1976 in Bozen, lebt und arbeitet in Wien. 2002 Diplom in Malerei an der Accademia di Belle Arti in Bologna. 2008 Diplom in Performance und Skulptur an der Akademie für bildende Künste in Wien, bei Monica Bonvicini.  www.heisshelmut.priv.at

 

EVA MAIR

lebt und arbeitet in Bozen. Studium der Architektur an der TU Graz und ETSAV Barcelona. Mitarbeit im Architekturbüro Erich Prödl (2003-2005). Derzeit Zusammenarbeit mit Arch. Walter Angonese. http://evamair.xarch.eu/

 

MAJA MALINA

geb. 1983 in Novi Sad (Serbien), lebt und arbeitet in Isola Rizza. 2010 Diplom der Freien Universität Bozen/ Design. 

 

KATHERINA PUTZER

geb. 1983 in Sterzing, lebt und arbeitet in Oslo. Studium der Architektur in Wien und Oslo. Mitarbeit bei NL architects in Amsterdam, dem Studio Feld72 in Wien sowie Pardeller-Putzer-Scherer Architekten in Bozen. 2010 freie Mitarbeiterin bei Tandberg Arkitekter in Oslo.



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