Mitteleuropa [it] / Mitteleuropa [en]

MItteleuropa – eine Sehnsuchtsvokabel – geweckt und am Leben erhalten von Magris, der als 23jähriger Student der Germanistik in Igur promoviert. Mit diesem Buch über seine These ist er schlagartig berühmt geworden. Mitteleuropa dargestellt als eine kulturelle Einheit im Donauraum. In den Ländern des ehemaligen Ostblocks hat es diese von uns so vielbeschworene Vielfalt gegeben. Für uns ist das der Traum; wenn diese Idee, nur so einfach zu realisieren wäre. Magris hat darüber gesprochen, und die Vokabel „Mitteleuropa“ in den 80ern populär gemacht. Es ist ein Modewort geworden, und wurde dadurch inflationär gebraucht, bis jeder wieder etwas anderes darunter verstand. So zum Beispiel haben die Nostalgiker sich die Monarchie in ihren Sprachen- und Ethnienvielfalt zurück gewünscht, die Moderneren haben in Europa den Fortschritt gesehen, was die Integration und das Zusammenleben der Ethnien betrifft. Die Leistung besteht darin, früher als alle Anderen, die Determiniertheit der kommunistisch-kapitalistischen Machtblöcke anhand ihrer Geschichte nachzuvollziehen und festzustellen.
Waltraud Mittich, Stammtisch III, 30.10.2010

 

Seit dem historischen Mitteleuropa, das Magris beschreibt, hat sich viel verändert... Ob Bozen eine neue Mitte in Mitteleuropa sein kann? Norditalien wird im Diskurs darum, gar nicht genannt; eher schwankt man zwischen östlichen und westlichen Ländern, und frägt ob die Schweiz das sein könnte, oder nach der Aufhebung des Eisernen Vorhangs, Slowenien, eventuell Kroatien usw; sogesehen ist Bozen am Rande von Mitteleuropa.                       
Eva Klein, Stammtisch III, 30.10.2010

 

Um Bozen, um Mitteleuropa wieder aufleben zu lassen, in neuen Kategorien und Dimensionen, da müsste man einen Paradigmenwechsel vornehmen. Weg vom Nationalstaatsgedanken, das beginnt mit der französichen Revolution, endet 1918 mit der Zerreissung und einem Schisma.  Das Trauma kommt nicht vom Faschismus. Es gab sehr viele Südtiroler, die im Faschismus wunderbar gut gelebt haben, z.b. die Magdalener Bauern, die hatten einen der drei meistgelobtesten Weine Mussolinis, das waren der Magdalener, der Montalcino und der Sangiovese. Das Trauma ist das Ende der 700jährigen Geschichte mit den Habsburgern. Dieses Trauma haben die Österreicher nicht überwunden und die Südtiroler Österreichische Minderheit auch nicht. Abschließend, letzter Satz: Wir brauchen ein gemeinsames politisches Ziel, vielleicht auch einen Krieg, weil nach dem Krieg, ja wir haben ja keine Ziele... (Stefan Nicolini)... Bist du sicher, dass es politische Ziele sein müssen? (Angelika Burtscher) …Ich meine gesellschaftspolitische Ziele... Nach dem zweiten Weltkrieg wussten die Gründerväter, warum sie den Staat aufbauen. Hier gibt es keine gemeinsame Richtlinie, und wir wissen nicht wohin. Heute an diesem Stammtisch sprechen wir von Vergangenheit und Gegenwart, aber irgendwann müssen wir doch in die Zukunft schauen... Wir hätten eigentlich das Potenzial, denn Grenzen gibt es keine mehr; den Brenner gibt es nicht mehr, wir haben keine Visionen, und trauen uns nicht. Jeder für sich hat Visionen, aber es fehlt die kritische Masse in Südtirol. Man redet immer von Alternativkultur, aber wo ist die; es gibt zwei in Völs, es gibt drei in Gardaun, es gibt fünf in Bruneck... und dann ist fertig. Bei diesem Stammtisch gibt es eine Kreativität, aber eine gemeinsame Vision fehlt. Das fehlt mir, aber ich hab auch keine Vision gesellschaftspolitischer Art.
Stefan Nicolini, Stammtisch III, 30.10.2010